Ein grosser Sprung nach Süden
distance: 2662.27km
duration: 142h 11min
Wir haben unser Visum endlich in den Pässen und können den Weg nach Indien antreten. Über die Wagah Border im Norden von Indien geht es ab nach Amritsar.
Die Luft ist schon sehr kalt und feucht, fürs Radfahren ein unangenehmes Klima.
Auf dem Weg nach Amritsar herrst dichter Nebel, es gibt keine Weitsicht. In Amritsar wird es leider in den nächsten Tagen nicht besser.
Beim Besuch des goldenen Tempels frieren uns die Füße auf dem weißen Marmor.
Die Tempelanlage ist riesig. Die Gläubigen gehen hier im Kreis um den großen See herum. An jeder Statue wird angehalten und gebetet. Es wird gratis Essen ausgehändigt, der Tempel sei bekannt für gute Küche.
Der Aufenthalt in Amritsar lässt uns unsere Pläne überdenken.
Es hat ca. 10 Grad und es ist feucht und nebelig. Nicht gerade einladend um im Norden zu verweilen. Delhi hat das selbe Klima was uns nicht gerade freut. Seit Lahore spielen wir mit dem Gedanken nach Südindien weiterzufahren.
Für Südindien würden wir drei Monate fürs Radfahren einrechnen, die Saison endet im Juni, da der Monsun startet. Je später es wird, um so heißer wird es im Süden.
Wir lassen uns nicht dreimal von der Sonne einladen und entscheiden uns nach vielen Recherchen gegen Dehli und für den 32-Stunden-Zug nach Mumbai.
Weihnachten naht und ich wär so gern an einem schönen, entspannten Ort.
Am Bahnhof sieht es schlecht für uns aus. Alle Züge sind für die nächste Woche ausgebucht.
Am Bahnhofseingang spricht uns ein alter Fahrradrikschafahrer an. Er erzählt uns, wir sollen uns ein Ticket kaufen und uns mit der entsprechenden Klasse ein Warteliste-Ticket geben lassen. Mit diesem können wir dann zum Stationsführer gehen. Er wird etwas tricksen und uns einen Platz im Zug verschaffen. Wir nehmen diese Aussage aber nicht wirklich ernst. Kann man nicht auf normalen Weg ein Ticket kaufen?
Nach dem Besuch des goldenen Tempels fahren wir zwei Stunden früher zum Bahnhof, um uns dort eine Möglichkeit für einen Liegeplatz zu organisieren. Wir irren am Bahnsteig herum, suchen verzweifelt den zuständigen Schalter. Kein Inder hilft uns weiter. Wir werden wie Außerirdische betrachtet, immer wieder werden wir über unsere Reise ausgefragt, aber keiner hilft uns weiter. Wie funktioniert hier das System mit dem Ticketkauf?
Nun ja, verzweifelt und deprimiert zu Weihnachten noch in Amritsar zu sitzen, sehen wir den Zug abfahren.
Und da treffen wir ihn wieder, unseren Rikschafahrer. Wir erzählen Surinder unseren Misserfolg, darauf hin, nicht verwundert: "I told you what to do!". Ok, anscheinend sollten wir die Leute doch wieder ernst nehmen.
Am nächsten Tag kaufen wir uns dann das entsprechende Ticket mit Wartelistenplatz Nummer 140 am Schalter und bringen es zum Zugvorsteher. Surinder zeigt uns wo der Zugvorsteher sein Büro hat, er sitzt nicht direkt am Bahnhof, sondern in einem aussenstehenden Gebäude. Ohne Bestechung bekommen wir das Ticket mit einer Nummer darauf geschrieben zurück. Mit diesem müssen wir dann zu einem anderen Raum am Bahnsteig, dort bekommen wir die endgültigen Plätze zugewiesen.
Das Ärgerliche war, dass wir auch schon an dem Tag zuvor in diesem Raum nachgefragt hatten und uns keiner weiter helfen konnte. Das Ganze ist wohl irgendwie geheim zu halten.
Über die Zugkategorien hatten wir keinen Plan, wir kauften die "Sleeper"-Variante, das war leider keine gute Wahl. Unsere Zugfahrt ist für zwei Nächte und drei Tage geplant und wir haben einen Wagon mit einfachsten Liegen, kein abgeschlossenes Abteil.
Ist ja nicht das Problem, aber wenn sich eine Familie eine Liege teilt, dann wird der Wagon schon mal bummvoll. Da nicht jeder ein Ticket bekommen hat, teilen sich die Inder die Liegen. Es kann daher jeder mit dem Zug mitfahren. Der Zug ist somit voll, voll, voll besetzt. Die Leute schlafen überall, am Boden wird auf Kartonschachteln geschlafen. Nach dem ersten Tag fängt auch das Klo stark zum Riechen an. Der Müll welcher nicht aus dem Fenster geworfen wird kommt auf den Boden. Arme Leute nutzen beim Halt am Bahnsteig die Chance und kehren den Boden aus und bekommen dadurch ein wenig Geld dafür. In all dem Chaos versuchen wir einen Überblick auf unser Gepäck zu behalten.
Angekommen in Mumbai erwartet uns blauer Himmel und gemütlich warme Temperaturen. Wir sind froh hier zu sein und auch das die Räder unversehrt transportiert worden sind (lediglich Christians Fahnenstange wurde von den grobmotorischen Arbeitern geknickt). Wir haben zwei Tage um unsere Räder gezittert, da diese in einem extra Wagon verstaut wurden und wir keine Kontrolle darüber hatten.
Wir haben es geschafft einen Tag vor Weihnachten in Südindien anzukommen.
Nach unserem ersten Dosafrühstück fahren wir mit der Fähre weiter. Es ist traumhaft, die Temperatur perfekt. Kein Frieren mehr.
Die ersten Eindrücke sind sehr positiv. Die Leute sind nett und auch die Strassen sind nicht so schlimm wie uns erzählt wurde. Wir fahren jedoch auf kleinen Nebenstrassen.
Zuerst wollen wir an den Mulshi Lake, an einen der vielen Staudämme in Maharasthra.
Ein steiler Anstieg auf diese Hochebene bietet uns am Abend einen schönen Ausblick vom Zeltplatz.
Es gibt nächsten Morgen sogar ein Restaurant um die Ecke und so wird uns in Indien die Selbstversorgung so langsam aus den Händen genommen. Wir kochen nur sehr selten. Es ist aber auch schwierig Lebensmittel zu finden. Ab und zu ein kleines Geschäft, meist voll mit Krims Krams.
Die Fahrt um den See ist trotz der löchrigen Strasse erholsam. Im Ort selbst haben wir keine günstige Unterkunft gefunden. Mulshi liegt nur 90 km von Pune entfernt und daher dominieren hier die Reichen. Nach langem hin und her bekommen wir ein Angebot um 1000 Rs in einem schäbigen Zimmer. Wenn Preis und Leistung nicht übereinstimmt, dann machen wir nicht mit. Alles eine Abzocke!
Wir entscheiden uns auf einer Fläche neben dem Hotel zu campen, leider wurde uns auch so 400 Rs abgeknöpft. Naja, dafür haben wir unser eigenes Zelt, wo es sauber und gemütlich ist.
Wir fahren über Pune, Bhor und Wai nach Mahabaleswhar weiter.
Die Strecke zwischen Bhor und Whai war ein Glückstreffer und endlich mal was für Radfahrer.
Am Gipfel vor Wai ein paar kleine Restaurants. Dort finden wir unseren perfekten Campingplatz für die Silvesternacht und für das Abendessen ist auch schon gesorgt.
In Mahabaleshwar lernen wir indische Touristenorte kennen und bekommen eine gute Einführung in die indische Kultur! Der Ort ist grässlich, die Preise hoch und die Inder sind laut und nervig. Die Inder treten nur in Gruppen auf, die Jungen wollen hip und lässig sein und die Erwachsenen rennen uns mit ihren Smartphone hinten nach und zeigen den kleinen Kindern dass wir Weiße sind (Wahrscheinlich Amerikaner!). Wenn wir nicht sofort darauf reagieren wird gepfiffen oder mit irgendwelchen Tricks unsere Aufmerksamkeit gestohlen.
Manchmal ist es ja ganz nett, aber wenn alles zugleich kommt, d.h. Autos oder Motorräder hupen, alle aus einem Auto winken, dich ohne Abstand überholen und das Alles solange bis du zurückwinkst, du aber nebenbei die Aussicht genießen willst und dich anstrengen musst, kann es dich so zur Weißglut treiben! Ich bleib des Öfteren stehen, damit ich mich wieder beruhigen kann. Das Schlimme daran ist, dass zurück brüllen oder Handzeichen geben nichts bringt, es wird gehupt solange bist du zurückwinkst. Sie wollen einfach nur Aufmerksamkeit haben. Ich fahre schon aus Trotz nur noch mittig auf meiner Spur, so können sie nur überholen, wenn wirklich genug Platz ist.
Die Inder meinen es nicht bös, sie wissen es einfach nicht besser. Sie wollen uns damit begrüßen und in ihrem Land willkommen heißen.
Zur Umgebung kann ich aber Positives berichten. Es ist wirklich sehr schön hier.
Von den Aussichtspunkten kann man zu den anderen Staudämmen sehen. Uns sind hier die Unterkünfte wiedereinmal zu teuer, wir suchen uns eine ruhige Freifläche ausserhalb des Ortes und haben womöglich die schönste Aussicht vom Zelt.
Bei der Weiterfahrt auf der Hochebene genießen wir gute Erdbeeren und gelbe Karotten wie von zu Haus. Ein frischer Erdbeershake steht immer auf dem Tagesplan. Es gibt hier mehrere Unternehmen die Fruchtsäfte einkochen, aber alle Produkte haben nur einen minimalen (20%) Fruchtanteil, der Rest sind künstliche Aromen, Farbstoffe und Zucker. Wir hätten so gerne eine gute Erdbeermarmelade zum Frühstück, aber das Zeug hier kann man vergessen.
Nach dem Ausflug in die Berge freuen wir uns schon auf das Meer. Endlich nach Monaten kann ich meinen Bikini auspacken. Wie fahren über Dapoli an die Küste. Es ist wirklich schön hier. Die Küstenstrassen sind recht ruhig, wenig Verkehr.
Die Küste ist aber hügeliger als gedacht und von vielen Flüssen durchzogen. Die Strecke schenkt uns einen Muskelkater in den Beinen. So führt uns die Küstenstrasse cirka 200 Hm steil hinauf und wieder schnell hinunter und dann überqueren wir den Fluß mit dem Boot. Es ergibt eine interessante Abwechslung beim Fahren, aber jeden Tag um die 800 Hm.
Wo Fluß und Meer zusammenstossen entdecken wir immer wieder Fischerorte.
Nach längeren Küstentagen erreichen wir Guhagar, ein Dorf entlang der Küstenstrasse. Leider gibt es hier kein Hotel direkt am Meer wie ich es gerne hätte. Zwischen dem Strand und dem Dorf wurde ein breiter Streifen von Kokosbäumen angelegt. Der Spaziergang zum Strand führt über kleine Wegen durch die Plantage.
In Guhagar besuchen wir unseren ersten Hindu-Tempel, Vyadeshwar mandir.
Doch Tempel gibt es überall.
Der erste Strandurlaub soll in Ganpati Pule statt finden. Eine schöne und günstige Unterkunft konnten wir im Ort nicht finden. Ich dachte ja an ein Hotel am Strand mit Ausblick auf das Meer.
Haha und da lernte ich dann die Einstellung der Inder zum Meer kennen. Die Mehrheit der Inder kann nicht schwimmen, daher gehen die Inderinnen mit ihrem Gewand bis auf Bauchhöhe ins Wasser planschen. Die Inder ziehen sich bis auf Unterhose und Unterhemd aus und versuchen sogar ein bisschen zu schwimmen. Alles zusammen ergibt es ein lautes Gequitsche und Geschrei. Da sich Inder nicht länger am Strand aufhalten, gibt es keine Liegestühle und Sonnenschirme am Strand.
Vereinzelt Verkaufsstände, ansonsten eine weite Leere. Der Ort ist bekannt für den Swayambhu Tempel. Man sieht mehr Leute im Tempel als am Strand. Bei uns wär es doch umgekehrt! Beim Tempeleingang sitzt eine nette aus Kupfer gegossene Ratte. Sie ist das Reittier von Ganesha. Die Leute flüstern ihr beim Verlassen des Tempels etwas in ihre großen Ohren - interessant zu beobachten.
Beim Spaziergang werde ich von jungen Inderinnen angesprochen. Total neugierig und interessiert fragen sie mich aus. Das ist das Schöne hier, man fühlt sich willkommen.
Das Schönste beim Radfahren,
die Begegnungen auf der Strasse:
Wer eine Reise nach Indien machen möchte, sollte sich das Buch "The White Tiger" zulegen. Es spiegelt die Realität sehr gut wieder, ich habe vieles davon auf unserer Reise gesehen. Indien hat für mich mehrere Gesichter und auf unserer Fahrradreise kann man diese sehr gut beobachten. Am Land und in den kleinen Dörfern die wir täglich durchqueren sehen wir die einfachen Leute, die schwere Arbeit leisten. Wer es in die Stadt schafft und eine Ausbildung machen kann muss auch hart arbeiten und zusätzlich seine Familie am Land unterstützen.
Wenn wir in einer Stadt sind gönnen wir uns manchmal ein schönes und angenehmes Hotel und sehen dort die andere Seite von Indien. Die Putzfrau, den Fahrer, den Koch, viele Bedienstete für die obere Schicht der Bevölkerung. Für mich neue Bezeichnungen wie "the boy", der Mitarbeiter der schon seit Jahren in der Familie arbeitet. Die Mittelschicht lässt sich gerne bedienen. Da wird kein Finger gerührt! Derjenige der in eine guthabende Familie geboren wurde, greift keine niedrigere Arbeit an. Das Kastenwesen ist nach wie vor in Takt und die Religion spielt eine wichtige Rolle. Um all die Szenarien verstehen zu können, wär es wohl besser die Sprache zu verstehen.
Ausgezeichnet schildert Aravind Adiga die Realität in seinem Buch.